»Bitte nicht stören«
Beitrag Pensionszimmer: »Bitte nicht stören!«
Den bewusst gewählten Bildern und Worten der Prospekte, Broschüren und Internetseiten zur Bewerbung und Beschreibung touristischer Attraktivität von Orten, Landschaften und Unterkünften in der Bodenseeregion werden im künstlerischen Pensionszimmer »Bitte nicht stören!« andere plakative, aber im touristischen Kontext unattraktiv erscheinende entgegengestellt: Fotografische Bilder von gesichtslosen Ein- und Mehrfamilienhaus-Siedlungen, von gleichförmigen Discounter-Clustern an wuchernden Ortsrändern, von nachverdichteten Orten ohne erkennbares Ortsbild, überrenovierten Bauten und verbauten Ufern, wie sie sich weithin ausgebreitet haben.
Fischerin vom Bodensee, Groß-Stadt Bodensee, Tatort Bodensee?
Die Diskrepanz zwischen medial vermittelten Bildern der Bodenseeregion, den stereotypen Schlagworten und Attributen der touristischen Attraktivität, mit denen um Feriengäste geworben wird und den vor Ort vorgefundenen Situationen kann befremden und irritieren.
In der Bildauswahl zur touristischen Bewerbung findet man bestimmte, sich wiederholende Vorstellungen von Natur, Kulturlandschaft und Ortsbildern bis hin zu Haustypen, die anscheinend als attraktiv angenommen werden. Woher kommen diese Bilder? Warum gelten sie als attraktiv? Wovon sind sie abgeleitet? Wer definiert das? Filme wie Die Fischerin vom Bodensee? Bilder und Berichte von der Insel Mainau? Millionenfach verschickte Postkartenidyllen? Oder gibt es doch eine “Ursehnsucht“ nach dem Arkadien und eine kollektive Vorstellung davon? Wandeln sich diese Vorstellungen oder bleiben sie konstant? Woran macht sich die touristische Attraktivität eine Ortes fest? Werden dieselben Bilder und die mit ihnen verknüpften Begriffe noch als attraktiv empfunden wie vor 50 Jahren? Wie nehmen Touristen, wie Einheimische das wahr?
Solche Fragestellungen sollen mit der Installation für die Gäste in den Raum gestellt werden.
Die Art der Bewerbung “programmiert“ die Erwartungen von Besuchern, “formt“ Landschaft und Orte im Auge der Betrachter.
Die Bestimmung und Bewertung von Attraktivität verlagert sich in die Kommunikation.
Wandeln sich die Maßstäbe von Attraktivität hin zum Undifferenzierten, Uniformen? Führt das zu Enttäuschungen? Oder sind wir an beliebige Zuordnungen von Begriffen und Bildern bereits so gewöhnt, dass wir unsere Erwartungen in dieser Weise “programmieren“ und sie sich damit selbst erfüllen?
Die Installation im Pensionszimmer besteht aus einer kulissenhaften Auftürmung von Leucht-Schriftzeichen aus der Lichtwerbung Öffentlichen Raumes, die hier gewissermaßen als Zeichenvorrat das wortsprachliche Rohmaterial touristischer Bewerbung bilden.
Fotografische Bilder der oben genannten, unwirtlichen Szenerien werden auf transluzente Folien gedruckt und in die schablonierte Form des jeweiligen Buchstabens gebracht. Die Leuchtflächen der Leuchtbuchstaben werden mit den Folien maskiert. Schriftzeichen und Bilder sind gleichzeitig sichtbar.
Durch ein elektronisches System gesteuert erscheinen unterschiedliche Schlagworte aus dem stereotypen Wortschatz der touristischen Werbung im Leuchtzeichenberg, bestehend aus 70 Reliefbuchstaben. Durch Licht werden physikalisch wie auch metaphorisch Erwartungen, Vorstellungen und Versprechungen in Wortform projiziert. Die Hinterleuchtung und das Aufblinken der Worte schaffen Aufmerksamkeit in wechselnden Kombinationen mit den Folienbildern.
Die Projektionen der Rezipienten oder Besucher oder Gäste bilden das eigentliche Inventar des Pensionszimmers, das hier einen transitorischen Raum darstellt.
Boris Petrovsky